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Die goldene Energie

29. November 2022

Renovieren, umbauen, weiterdenken: Allzu oft werden heutzutage bestehende Gebäude abgerissen, um auf demselben Grund wieder einen Neubau zu errichten. Vor dem Hintergrund, dass der Bausektor für über 40 Prozent der weltweiten Treibhausgasemissionen verantwortlich ist, mutet das altertümlich an. Denn in vielen Fällen wäre eine Weiternutzung etwa durch Umbau eine gangbare und sinnvolle Alternative. Mit der Ausstellung „Nichts Neues – besser Bauen mit Bestand“ zeigt das Interimsquartier des DAM im Frankfurter Ostend, zahlreiche internationale Strategien im kreativen Umgang mit bestehender Architektur. 


von Thomas Geuder, der Raumjournalist


Vor 50 Jahren hat der Club of Rome die Studie „Die Grenzen des Wachstums“ veröffentlicht und darin eine recht realistische Prognose für die künftige Entwicklung der Welt geliefert, die unmissverständlich aufzeigt, was im Grunde einleuchtend ist: Die Ressourcen unseres Planeten sind endlich, weswegen auch dem viel beschworenen Wachstum eine deutliche Grenze gesetzt ist. Damals, Anfang der 1970er-Jahre, wollte das niemand so recht hören. Die Welt war –zumindest für einen Teil davon – im Aufbruch zu mehr Wohlstand und Reichtum. Heute wissen wir, dass der in jener Zeit erlangte Wohlstand auch mit einer übergroßen Portion an Ressourcenverschwendung einherging. Der damals eingeschlagene Weg war gemütlich, für viele teils berauschend – zu schön also, um sich mit einem eventuell drohenden Ende auseinandersetzen zu wollen.  

 

 
UMBAUEN: SESC 24 de Maio, São Paulo, BR; Luftaufnahme des Daches mit Schwimmbad
Architektur: MMBB Architects, São Paulo, BR
Foto: ©  Nelson Kon

 

Neue Umbaukultur 

 

Ungefähr seit der Zeit der Gründung des Club of Rome wird in jedem Jahr der Earth Overshoot Day errechnet, der Tag also, an dem die Menschheit alle natürlichen Ressourcen aufgebraucht hat, die die Erde innerhalb eines Jahres zur Verfügung stellen kann. 1970 bereits war das erst Jahr, in dem dieser Tag erstmals auf den 29. Dezember fiel und somit der jährliche Verbrauch die Ressourcen überstieg. Mittlerweile, im Jahr 2022, fällt dieser Tag global auf den 28. Juli, in Deutschland sogar auf den 4. Mai – leider mit gleichbleibender Tendenz für die nächsten JahreDer Bau- und Gebäudesektor, auf den schließlich ein großer Teil der weltweiten Treibhausgasemissionen zurückzuführen sind, kann jedoch einen notwendigen und nachhaltigen Beitrag dazu leisten, den Umgang mit den Ressourcen zu ändern. Statt Gebäude, die anscheinend nicht mehr den geltenden Normen, der aktuellen Marktlage oder einer effizienten und ökonomischen Nutzung entsprechen, abzureißen und durch einen Neubau zu ersetzen, sollte häufiger über das Bauen im Bestand nachgedacht werden. Nicht zuletzt deshalb hat der Baukultur-Bericht 2022/23 der Bundesstiftung Baukultur, der am diesjährigen deutschen Earth Overshoot Day veröffentlicht wurde, die „Neue Umbaukultur“ zum Thema. Die lesenswerten 152 Seiten lassen sich auf der Website der Bundesstiftung kostenfrei herunterladen. 



ANBAUEN: K.118, Winterthur, Schweiz baubüro in situ
Foto: Martin Zeller © baubüro in situ ag


Respektvoller Umgang mit Bestand 


Dass die üblicherweise „grau“ genannte Energie, die in bestehenden Gebäuden gebunden ist, genau genommen eine „goldene Energie“ ist, leuchtet ein, wenn man das Bauen vor dem Hintergrund der Ressourcenknappheit und der Emissionen betrachtet. Diese gebaute Ressource zu nutzen und dadurch weniger Müll zu produzieren, ist eine Vorgehensweise, die eigentlich so alt ist wie die Architektur selbst. In den vergangenen Jahrzehnten jedoch hat sie leider an Bedeutung verloren. Dabei wäre eine Reaktivierung von Bestehendem enorm wichtig. Das gilt ebenso für den Wandel der Typologien von Stadt und Land: Große Kaufhäuser verschwinden zunehmend, Parkhäuser und andere Infrastrukturgebäude werden wegen neuer, nachhaltiger Mobilitätskonzepte obsolet, auch Sakralbauten und Bürogebäude sind von Leerstand betroffen. All das bietet eine große Chance, in der der gesellschaftliche Wandel Potenziale für neue Funktionen und Typologien bietet, die allesamt respektvoll in den goldenen Bestand integriert werden können – und dabei noch ressourcenschonend, klimafreundlich und damit zukunftsträchtig zu bauen. 



RÜCKBAUEN: PC Caritas, Melle, BE; Innenraum mit Gewächshaus, 2016
Architektur: architecten jan de vylder inge vinck / inge vinck jan de vylder architecten -
A JDVIV / IVJDV A + ETC (ab 2019); architecten de vylder vinck taillieu - A DVVT (bis 2019); BAVO collective - Gideon Boie
Foto: © Filip Dujardin

 

Besser Bauen 


Diesem Themenkomplex widmet sich die sehenswerte Ausstellung „Nichts Neues“ des Deutschen Architekturmuseums im Interimsquartier Ostend. Gezeigt werden dort 24 klug umgesetzte Strategien im kreativen Umgang mit bestehender Architektur aus der ganzen Welt, sortiert nach den Bereichen Umbau, Anbau, Rückbau, Reaktivieren, Stadt und Dorf erneuern sowie Bauen im Denkmal. Ein weiterer Fokus betrachtet sieben Projekte in Frankfurt am Main, die realisiert wurden oder deren Zukunft trotz ihres architektonischen Entwicklungspotenzials noch ungewiss ist. Auch die Ausstellungsarchitektur selbst geht auf das Thema ein: Möbel, Stellwände und Geräte stammen aus den Beständen des DAM, das momentan umgebaut wird. Die Ausstellung läuft noch bis 15. Januar 2023. 



REAKTIVIEREN: Haus der Statistik, Berlin, DE; Die WERKSTATT Haus der Statistik ist seit 2019 eine wichtige Anlaufstelle, um sich über das Modellprojekt Haus der Statistik zu informieren und mitzuwirken, 2019 
Architektur: Teleinternetcafé + Treibhauslandschaftsarchitektur, Berlin + Hamburg, DE; ZKB eG + raumlabor, Berlin, DE
Foto: © Lena Giovanazzi



BESTANDSAUFNAHME IN FRANKFURT: Ehemaliges Telekom-Areal, Ostend, Frankfurt am Main, DE
Foto: © Moritz Bernoully

 

Ausstellung: 

Nichts Neues – Besser Bauen mit Bestand 

bis 15. Januar 2023 

DAM Ostend, Henschelstr. 18, 60314 Frankfurt am Main 

 

 

Kurator:innen: 

Jonas Malzahn, Mathias Schnell und Katharina Boettger 

 

 

Inhaltliche Beratung:  

Architects for Future, Frankfurt am Main 

 

 


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